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Fingertier

Daubentonia madagascariensis

Herkunft: Madagaskar

Mit dem Fingertier Madagaskars scheint eine Gestalt aus der Mythologie einer Urbevölkerung lebendig geworden zu sein. Dieses heimliche, nur nachts aktive Geschöpf mit den großen, vorn stehenden Augen, die im Scheinwerferlicht oder im Fotoblitz wie zwei Glühbirnen aufleuchten, läßt sich ganz und gar nicht mit den uns bekannten Tiergestalten vergleichen. Es sieht überhaupt nicht wie ein Halbaffe aus - und in der Tat hatten die Zoologen viel Mühe, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dieser Tiergruppe festzustellen.

Gestalt
Alles an diesem Tier ist ungewöhnlich. Der schlanke Körper ist mit einem rauhen und langen Fell bedeckt. Der deutlich mehr als körperlange Schwanz hat steife, bis 10 cm lange Haare. Der Kopf ist groß und breit, das Gesicht flach, mti einer spitzen Nase und auffallend großen, ovalen, unbehaarten Ohren. Kopf und Rumpf des Tieres sind etwa 45 cm lang. Es ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt.

Schaut man sich Schädel und Zähne an, so glaubt man ein Nagetier vor sich zu haben. Auffallend sind die langen, nagezahnähnlichen Schneidezähne, je 2 in Ober- und Unterkiefer. Sie wachsen nach Art der echten Nagezähne fortwährend nach und sind meißelartig angeschliffen. Ihre Wurzeln ragen weit nach hinten, bis an die der Backenzähne, die durch eine breite Zahnlücke von den vorderen Schneidezähnen getrennt sind. Der harte Zahnschmelz auf der Vorderseite und das weichere Dentin der Rückseite bewirken ein einseitiges Abnutzen und damit ein laufendes »Selbstschärfen« dieser Zähne. Neben den großen Schneidezähnen besitzt das Fingertier nur noch 3 kleine, flachkronige Backenzähne und einen reduzierten Vorderbackenzahn im Oberkiefer.

Die kleinen Backenzähne passen aber ganz und gar nicht zu einem typischen Nagergebiß. Wir müssen uns fragen, warum so gewaltige Zähne vorn ausgebildet sind, wenn das Tier gar nicht in der Lage ist, mit den Backenzähnen harte pflanzliche Nahrung zu zermahlen. Eine Erklärung für diese ungewöhnliche Kombination wird uns die Ernährungsweise des Fingertieres liefern.

Am auffallendsten sind jedoch die Hände des Fingertieres ausgebildet, die beinahe die Hälfte der gesamten Armlänge ausmachen. Die Handfläche ist relativ kurz und besitzt lange und dünne Finger, deren Spitzen im Gegensatz zu anderen Primaten (mit Ausnahme der Spitzhörnchen) spitze, krallenartige Nägel tragen.

Der Mittelfinger überragt die anderen Finger noch um einiges und ist auffallend dünn, skeletthaft. Die Knochen dieses Fingers sind sehr dünn, und Haut und Muskeln scheinen eingetrocknet zu sein.

Die Beine sind länger als die Arme, und die Füße entsprechen eher dem Bild einer typischen Primatenhand. Nur die große Zehe trägt einen flachen Nagel, die anderen Nägel sind krallenartig. Im Gegensatz zum kurzen Daumen ist die große Zehe kräftig entwickelt und den übrigen Zehen gegenüberzustellen (opponierbar) und funktioniert wie eine typische Primatengreifhand.

Der Schädel des Fingertieres zeigt keinen »Gesichtsknick« zwischen Nasen- und Hirnteil des Schädels, wie bei anderen Primaten. Das Gehirn ist ursprünglich und hat einen besonders stark ausgebildeten Riechteil (Bulbus olfactorius). Es ähnelt damit dem Insektenfressertyp.

Lebensweise
Das Fingertier ist ein Baumbewohner und hat ursprünglich im Osten und Westen der Insel Madagaskar gelebt. Es bevorzugt keine bestimmten Vegetationszonen und lebt sowohl im Mangroven- oder Bambusdickicht wie in den großen Regenwäldern bis zu 1000 m Höhe. Es lebt hauptsächlich im Bereich der großen Äste und Stämme.

Das Fingertier führt eine rein nächtliche Lebensweise und verbringt den Tag in Nestern oder hohlen Bäumen, wo es eingerollt schläft, den Körper mit dem Schwanz bedeckt. In diesen Nestern bringen die Weibchen auch einmal im Jahr 1 Junges zur Welt. Nachts sind die Tiere rege und spazieren unermüdlich umher. Fingertiere leben wohl überwiegend einzeln, ohne bestimmte Reviere alleine für sich zu beanspruchen.

Nahrungssuche
Das Fingertier läuft vierfüßig, es bevorzugt waagerechte Stämme, und nur selten kann man es an einem senkrechten Stamm kletternd beobachten. Es beklopft hin und wieder die Rinde der Baumstämme mit seinem knöchernen Mittelfinger. Es sucht nach den Larven von Bohrkäfern, die sich Gänge in die Baumstämme gefressen haben. Mit der empfindlichen Nase schnüffelnd und den großen Ohren lauschend, ortet das Fingertier die Beute. Hat es ein erfolgversprechendes Bohrloch gefunden, so wird dies mit den meißelartigen Nagezähnen erweitert, bis der fette Happen mit dem dünnen, langen Mittelfinger herausgefischt werden kann.

Auch an das Fruchtfleisch harter Früchte kommt das Fingertier in gleicher Weise heran: Es bohrt mit den Schneidezähnen ein Loch in die harte Schale einer Kokusnuß und kratzt das weiche Fruchtfleisch mit dem bekrallten dürren Mittelfinger heraus. Hand und Gebiß, ja die ganze Gestalt ist auf diese Nahrungssuche spezialisiert.

Während eine gestaltliche Spezialisierung auf einen bestimmten Nahrungserwerb bei den Säugetieren weit verbreitet ist - man denke an die lange Zunge des Ameisenbären oder an den langen Hals der Giraffe - so bedeutet sie doch für die Primaten eine Besonderheit. Auch in dieser Beziehung nimmt das Aye-Aye, wie das Fingertier auch genannt wird, eine Sonderstellung innerhalb der Primaten ein.

Neben Käferlarven und Kokusnüssen werden noch weitere tropische Früchte, wie Mangos und Litschis, aber auch Vogeleier und verschiedene Insekten sowie Bambusschößlinge und allerhand andere zarte Pflanzenteile verzehrt.

Das Fingertier hängt dabei manchmal mit den Hinterbeinen an einem Zweig, um mit den Händen die Nahrung festzuhalten. In gleicher Weise kann auch die Fellpflege durchgeführt werden. Der lange Mittelfinger dient dabei auch als Putzorgan, da das Fingertier nicht wie die anderen Halbaffen eine besondere Putzkralle oder einen Zahnkamm zur Körperpflege besitzt.

Gefährdung
Das Fingertier ist das am meisten gefährdete Säugetier Madagaskars. Es unterliegt den Schutzbestimmungen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens.




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